Meinung: Sackgasse im Grasland

Meinung: Sackgasse im Grasland - Alpahirt

Eine Zusammenfassung des Referats an der Nationalen Bioforschungsforum NBFF vom 1.Dez. 2022, von Hansjörg Schneebeli, Bauer aus Obfelden (ZH).

Emissionsrechnungen in der Forschung 

Die durch die Landwirtschaft verursachte Klimabelastung steht immer mehr im Fokus. Bei der Berechnung hat man sich dabei auf eine reine Emissionsrechnung (also die Kalkulation des Ausstosses an Treibhausgasen) festgelegt, so wie in allen anderen Branchen auch – vielleicht, um eine gewisse Vergleichbarkeit herzustellen. Das führt dazu, dass man dann in der Zeitung lesen kann, dass eine Kuh gleich viele Treibhausgase „produziere“, wie ein Auto, das X Kilometer fährt – ein aussergewöhnlich dummer Vergleich. Die Kuh ist eingebettet in einen Kreislauf, der keine 25 Jahre dauert. Beim Auto dauert dieser Kreislauf Millionen von Jahre.

Aus Sicht der Praxis hat diese Emissionsrechnung einen wesentlichen Haken: Bei der Land- und Forstwirtschaft kommt die Assimilation ins Spiel. Dabei wird von den Pflanzen mittels Photosynthese CO₂ aus der Luft aufgenommen. Der Kohlenstoff (das C) wird in die Zellen eingebaut und der Sauerstoff (das O) wieder an die Umwelt abgegeben. Ganz vereinfacht gesagt, machen Menschen und Tiere in ihrem Stoffwechsel das Umgekehrte: Sie nehmen den Kohlenstoff in der Nahrung auf und stossen CO₂ mit der Atmung aus. Seit Jahrmillionen funktioniert dieser Kreislauf zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern. Die reine Emissionsrechnung wird diesen Kreisläufen nicht gerecht und es resultieren daraus falsche Ergebnisse und Annahmen. Letztlich führt das zu falschen Massnahmen, und das treibt mich um. Ausdrücklich möchte ich betonen: Ich sperre mich nicht gegen die Einbindung der Landwirtschaft und auch nicht gegen richtige Massnahmen zur Verringerung der Treibhausgase.

Kreisläufe

Globaler Kohlenstoffkreislauf
Quelle: Boden-Bulletin des WWF Deutschland 2019

Diese Grafik aus dem „Boden Bulletin“ des WWF Deutschland zeigt, dass die Kreisläufe rund um die Pflanzen herum ungefähr ausgeglichen sind. Von den 124 Gigatonnen des durch Photosynthese eingelagerten Kohlenstoffs geht rund die Hälfte in den Boden, verrottet, wird vielleicht zu Humus. Etwa gleich viel Humus wird abgebaut. 

Die Ernteerträge werden durch Menschen und Tiere gegessen und das CO₂ anschliessend wieder ausgeatmet. Innerhalb dieses ausgeglichenen Kreises gibt es Unmengen von Unterkreisläufen, welche unterschiedlich lange dauern, meistens weniger als 100 Jahre, und das ist in meinen Augen alles als kurzfristig zu bezeichnen, verglichen mit dem Alter der Erde.

Das wirkliche Problem besteht in den Emissionen von knapp 10 Gigatonnen (10 Milliarden Tonnen) Kohlenstoff pro Jahr aus fossilen Brennstoffen. Diese sind vor Jahrmillionen entstanden und haben seinerzeit der Atmosphäre CO₂ entzogen. Heute sind sie “stock gasses “und akkumulieren sich, ohne zeitnahe Aussicht auf eine natürliche Bindung oder Speicherung.

Kreislaufrechnung der Kuh

Für die Kreislaufrechnung habe ich die Gesamtemissionen berechnet, also nebst dem normalerweise angelasteten Methan auch den direkten CO₂ Ausstoss durch Atmung und den Pansen. Auch aus den Ausscheidungen der Kuh entsteht irgendwann einmal wieder CO₂, wenn der Hofdünger durch Bodenlebewesen umgewandelt und veratmet wird. Wobei man bei diesem Punkt auch anderer Ansicht sein könnte. Auf unserem Betrieb werden die Hofdünger fast ausschliesslich im Ackerbau eingesetzt und erhöhen dort den Ertrag für die menschliche Ernährung. 

Mit dem Hofdünger füttern wir das Bodenleben, ein Teil der erhöhten Wurzelmasse wird vielleicht sogar in Humus umgewandelt. Auf der anderen Seite des Kreislaufes steht aber die Assimilation der Pflanzen, welche die Kuh gefressen hat. Wenn man den ganzen Kreislauf berechnet, kommt man auf eine fast ausgeglichene Bilanz. Was nur logisch ist, hat sich dieser Kreislauf doch über Jahrmillionen bewährt. Ausserhalb dieses Kreislaufes sind die fossilen Energien, die auf dem Bauernhof verbraucht werden, klimabelastend.

Ohne Kuh gibt es keine Assimilation des Grases. Wenn wir unsere Wiesen nicht beweiden, oder schneiden und abführen, hört das Gras praktisch auf zu wachsen. Die Folge wären bedeutend weniger Photosynthese auf diesen Flächen – dafür würde das Gras vor Ort verrotten und in CO₂ umgewandelt werden. Vielleicht verbuscht die Fläche und es könnte dadurch kurzfristig etwas Kohlenstoff eingelagert werden; aber spätestens, wenn das natürliche Alter der Büsche oder Bäume erreicht ist, herrscht wieder Klimaneutralität. Wenn wir also die CO₂-senkende, speichernde Assimilation der Wiesen wollen, gehört die Verwertung des Grases durch die Kuh in den Kreislauf, oder die Wiese zur Bilanz der Kuh. Alles andere ist für uns Praktiker sinnlos. 

Und dann gib es Studien, die darauf hinweisen, es werde etwa 30 % des Kohlenstoffs im Hofdünger im Boden gespeichert. Jeder Bauer weiss, dass Wiese und Kunstwiese Humusaufbau begünstigen. Wenn man eine solche Sequestrierung einrechnet, wären wir ungefähr bei einem neutralen Kreislauf zwischen Kuh und Wiese angelangt. 

Zum Schluss noch ein paar Gedanken darüber, ob diese Rechnerei wirklich sinnvoll ist. Eigentlich betont der IPCC (International Panel on Climate Change), es lohne sich nicht, die kurzfristigen Kreisläufe abzubilden, weil: zu aufwändig, kompliziert und ungenau. Nur gehört der Methankreislauf aus der Verdauung der Wiederkäuer zu den kurzfristigen Kreisläufen (wird aber trotzdem immer mit eingerechnet und betont). Natürliches Methan von Wiederkäuern wird in der Atmosphäre innert durchschnittlich 12 Jahren zu CO₂ umgebaut, und dann von den Pflanzen wieder aufgenommen.

Es gibt in der Atmosphäre seit 100 Jahren etwa gleich viel Methan von Schweizer Wiederkäuern. Der Anstieg der Methanbelastung ist auf die Förderung von fossilen Rohstoffen zurückzuführen. 

Die heutige, reine Emissionsrechnung ist eine “kreative” Rechnung und weit weg von einer Darstellung der effektiven Kreisläufe auf unseren Höfen. Die heute gezogene Grenze, was kurzfristig sei, und deshalb nicht gerechnet werde, und was langfristig sei, und deshalb belastet werden müsse, ist willkürlich gezogen, siehe das Beispiel des Methans. Wenn die Wissenschaft wirklich Wissen schaffen will, muss sie zuerst versuchen, die in der Evolution gewachsenen Kreisläufe abzubilden und zu verstehen. Leider ist die Forschung oftmals nicht fähig oder willens, dies zu versuchen.

Fazit 

Viele Bauern stellen die heutige Emissionsrechnung aus guten Gründen infrage. Wenn die Emissionen der natürlichen Kreisläufe bewertet werden, ohne die zweite Hälfte des Kreislaufes einzubeziehen, wird dies der Landwirtschaft nicht gerecht. 

Ich bin überzeugt, dass die heutige Klimabewertung für die Landwirtschaft weder sinnvoll noch für die Landwirte fair ist, weil sie den Kreisläufen der Natur nicht Rechnung trägt. Die heutige Bewertung führt zu Massnahmen, welche die CO₂-Bilanz unseres Tuns nicht entscheidend verbessern.

Über Hansjörg Schneebeli 

„1980 habe ich den Betrieb von meinem Vater gepachtet und vor 10 Jahren an meinen Sohn übergeben dürfen. Dazwischen liegt eine schöne, spannende, auch strenge Zeit. Seit 1990 haben wir auf unserem Hof viel praktischen Klimaschutz betrieben, sei es mit viel Biodiversität oder unseren Solaranlagen, die erste 1992 erbaut. Auch das Ersetzen von fossilen Treibstoffen durch Pflanzenöl als Traktorentreibstoff oder ein Maisgestell zum Trocknen der Maiskolben gehörte zu unseren Massnahmen. Die Eckdaten unseres Hofes blieben gleich: Unsere Kühe fressen nur Gras und Silage aus Kunstwiese und das Heu von extensiven Blumenwiesen.“

Das gesamte Boden-Bulletin 2019 des WWF Deutschland zur Ansicht und zum Download

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