Man hört immer wieder die Begriffe Regenerative Landwirtschaft und Nachhaltigkeit – aber wie hängen diese zusammen? Was versteht man genau unter regenerativer Landwirtschaft und ist das unsere Zukunft? Wir gehen dem Thema in unserem nachfolgenden Beitrag etwas tiefer auf den Grund.
Abgrenzung: Nachhaltigkeit und Regenerative Landwirtschaft
Um den Begriff Regeneration im Kontext der Landwirtschaft einordnen zu können, hilft es, sich zuerst das Konzept der Nachhaltigkeit vor Augen zu führen. Als nachhaltig wird laut der am weitesten verbreiteten Definition jede Tätigkeit bezeichnet, die die Bedürfnisse der jetzigen Bevölkerung deckt, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken.
In der Ernährungswirtschaft bauen jene Konzepte, die gemeinhin mit Nachhaltigkeit gleichgesetzt werden (insbesondere die biologische Landwirtschaft), hauptsächlich auf dem Prinzip der Nachahmung natürlicher Kreisläufe auf. Andere, verwandte Ansätze wie die bio-dynamische Landwirtschaft betonen die Rolle des Hofes als Organismus und es wird die Notwendigkeit der Schliessung natürlicher Kreisläufe mittels Viehhaltung betont. Zwei der Hauptmethoden nachhaltiger Landwirtschaft sind der Verzicht auf synthetisch-chemische Dünger und Pestizide, sowie das Verwenden von hofeigenem Dünger.
Während das Konzept der Nachhaltigkeit je nach Branche schon relativ „alt“ ist, hat die Regenerative Landwirtschaft eine etwas jüngere Geschichte. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass es angesichts der durch die Industrialisierung verursachten Schäden und negativen Effekte auf unsere Ressourcen nicht mehr genügt, diese nur erhalten zu wollen (s. Grafik unten). Unser natürliches Kapital in Form eines gesunden Ökosystems muss im Gegenteil gefördert und unterstützt und dadurch wiederhergestellt werden.
In der Abbildung sieht man sehr anschaulich, welche Themen unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen. Der innere, grüne Kreis zeigt den Bereich, innerhalb dessen ein gesundes und ökologisch vertretbares Handeln möglich ist. Die orangefarbenen Ausläufer bilden den "Overshoot" ab und verweisen auf Bereiche, in denen die Klimarisiken durch das Wirtschaftssystem angestiegen und teilweise unabsehbar sind.
Was genau bedeutet Regenerative Landwirtschaft ganz konkret?
In der Regenerativen Landwirtschaft (im englischen Sprachraum auch Restorative Agriculture) bedeutet diese Wiederherstellung die Umsetzung landwirtschaftlicher Praktiken und Tätigkeiten, deren Hauptaugenmerk auf dem Boden liegt. Wichtigster Fokus ist die Regeneration eines gesunden Bodenlebens, das nicht nur Ausgangspunkt jedes Nahrungsmittels ist, sondern auch in seiner Funktion als Speicher von Humus und Kohlenstoff gefördert werden muss.
Die Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft sind dabei nicht so eindeutig definiert, wie es beispielsweise in der biologischen Landwirtschaft der Fall ist. Sie umfassen mehrere Ansätze und Strömungen, die ihrerseits und je nach Organisation oder Autor verschiedene Schwerpunkte setzen.
Die Ziele und Konzepte der Regenerativen Landwirtschaft überschneiden sich zum Teil auch mit jenen der Circular Economy for Food, der Agroforst-Systeme, der Agrarökologie oder der konservierenden Landwirtschaft. In letzter Zeit wurde insbesondere durch die Ellen MacArthur Foundation die Regenerative Landwirtschaft als ein Hauptbaustein einer Kreislaufwirtschaft behandelt und integriert.
Die regenerativen Prinzipien bauen, ähnlich wie in der biologisch-organischen Landwirtschaft, auf praktischem und traditionellem Wissen und auf den Erkenntnissen moderner wissenschaftlicher Forschung auf.
Definitionen
Wie bereits erwähnt, gibt es keine rechtlich oder anderweitig festgelegte, einheitliche Definition der Regenerativen Landwirtschaft.
Das Fehlen eines starren Schemas stellt allerdings keine Schwäche dar – es kann im Gegenteil ein stärkendes Merkmal der Regenerativen Landwirtschaft sein, da man nach ihr explizit outcome- also ergebnisbasiert und nicht input-basiert nach starren Dogmen vorgehen sollte.
Ihr Fokus liegt dabei immer auf einer Optimierung und Verbesserung der Praktiken und Ergebnisse (z.B. dem Humusgehalt im Boden), verglichen mit dem vorherigen Zustand. Trotz der verschiedenen Ansätze gibt es entscheidende Gemeinsamkeiten, die alle Definitionen gemeinsam haben – sie alle beruhen auf der qualitativen und quantitativen Verbesserung der Ressourcen …
- Boden,
- Wasser,
- Produktivität und
- Vegetation
… auf Hof-Ebene. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf den Boden, das heisst auf die Bodenqualität in Struktur, Gesundheit und Fruchtbarkeit, gelegt. Hauptziel ist die Erhöhung der organischen Materie im Boden durch Anreicherung von kohlenstoffhaltigem Humus. Die Speicherfähigkeit von CO₂ durch gesunde Böden ist auch der Hauptgrund, warum die Regenerative Landwirtschaft als vielleicht vielversprechendster Lösungsansatz im Kampf gegen den Klimawandel gilt.
Die Anreicherung des Bodens ist der Schlüssel
Diese Anreicherung wird hauptsächlich durch die folgenden Praktiken gefördert:
- Minimale Bodenbearbeitung und -wendung (no-till / low-till)
- Möglichst permanente Bodenbedeckung
- Aerobe Kompostierung
- Einsatz von effektiver Mikroorganismen und Wurzelmaterial
- Sofern möglich kein Einsatz synthetischer Pestizide und Düngemittel
- Möglichst hohe Diversität in der Fruchtfolge
Die Kuh hat einen grossen Anteil daran
Ausserdem bildet die Integration von Viehhaltung (insbesondere von Wiederkäuern) in Form von Weidewirtschaft das Fundament einer Regenerativen Landwirtschaft. In einem optimierten Herdenmanagement regt die natürliche Herdenbewegung der grasenden Wiederkäuer das Pflanzenwachstum der Weide an. Die Weidegräser wiederum speichern Kohlenstoff im Boden und sorgen für eine ständige Bodenbedeckung, die etwa der Erosion vorbeugt. Ausserdem düngen die Tiere natürlich den Boden und schliessen dadurch den Nährstoffkreislauf.
Die Weidehaltung ist dadurch essenziell für die Regeneration der landwirtschaftlich genutzten Ressourcen. Um sie zu ermöglichen, sollten ausserdem Rassen verwendet werden, die an die lokalen Gegebenheiten angepasst sind. Im Alpenraum sind das unter anderem das Rhätische Grauvieh oder das Simmentaler Rind, die auch von den Alpahirt-Landwirten gehalten werden. Diese robusten Rassen haben den Vorteil, dass sie mit den typischen alpinen Steilhängen und der teils extremen Witterung umgehen können. Im Gegensatz zu Hochleistungszüchtungen haben sie ausserdem die Eigenschaft, dass sie wesensgerechtes Grünfutter (also Gras und Heu) noch gut verdauen und verwerten können.
Feed no food
Ein weiteres Kriterium für eine regenerative Weidehaltung ist es, die Nahrungsmittelkonkurrenz zwischen Mensch und Tier zu minimieren oder ganz aufzulösen. Fruchtbares Land, auf dem Nahrungsmittel für den Menschen angebaut werden könnten, sollte nicht für die Produktion von Futtermitteln, beispielsweise in Form von Getreide, verwendet und verschwendet werden. Daher arbeiten auch wir bei Alpahirt immer nach der Maxime „Feed no Food“.
Ziele & Auswirkungen Regenerativer Landwirtschaft
Die Ziele der Regenerativen Landwirtschaft sind:
- die Umkehrung der globalen Erwärmung,
- die Wiederbelebung der lokalen Wirtschaft,
- die Verbesserung der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens,
- die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Landwirte durch Beendigung der unternehmerischen Kontrolle über das globale Ernährungssystem
- die Regeneration der ökologischen Gesundheit, einschliesslich Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität
- die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und fairem Handel.
Die neuere Forschung zeigt dabei, dass die Regenerative Landwirtschaft einen positiven Einfluss hat auf die Speicherung von CO₂ im Boden, die Bodengesundheit allgemein, auf Ernteerträge und auf weitere wichtige landwirtschaftliche Kennzahlen.
Nicht nur bei der Weidehaltung, auch bei Acker- und Feldfrüchten (also Getreide, Obst, Gemüse, Ölsaaten etc.), zeigen regenerative Praktiken vielversprechende Ergebnisse. So haben regenerativ bewirtschaftete Höfe eine rund 78 % höhere Profitabilität, obwohl sie 29 % geringere Erträge haben – das liegt vor allem am Verzicht auf chemische Betriebsmittel, die bei Monokulturen nötig sind. Industrielle Betriebe haben in der Regel zehnmal mehr Krankheitserreger und Schädlinge.
Fazit
Nachhaltigkeit ist gut, Regenerative Landwirtschaft ist besser. Schlüssel scheint hierbei insbesondere der Boden zu sein. Wenn es uns gelingt, durch verschiedene Massnahmen wie eine minimale Bodenbearbeitung, eine möglichst permanente Bodenbedeckung oder die
aerobe Kompostierung Fortschritte in Bodengesundheit und notwendigem Input zu erreichen, sind wir einen grossen Schritt weiter. Die Kuh und andere Wiederkäuer leisten dabei einen entscheidenden Beitrag. Und wieder kommen wir zu dem Schluss: Wir brauchen (natürlich gehaltene) Kühe, um unseren Planeten zu retten.
Quellen
- https://soilhealthinstitute.org/resources/
- LaCanne, C.E., & Lundgren, J.G. (2018). Regenerative agriculture: merging farming and natural resource conservation profitably. PeerJ, 6.
- https://www.agevidence.org/#/us-corn-belt
- https://www.arc2020.eu/wp-content/uploads/2019/11/%C3%96kolandbau-Agrar%C3%B6kologie-regenerative-Landwirtschaft.pdf
- Stolze et al. (2019). 26. FREILAND-Tagung/33. IGN-Tagung. Moderne Nutztierhaltung im 21. Jahrhundert - Ökologisch, Tiergerecht, Zukunftsfähig. Freiland Verband. pp. 19-23.
- Niggli, Jeremias (2020). Den Boden regenerieren. Bioaktuell, 2020 (3), S. 7.
- https://www.agricultura-regeneratio.ch/
- Vogt, Gunter (2001). Geschichte des ökologischen Landbaus im deutschsprachigen Raum [History of organic agriculture in the German-speaking region]. Ökologie & Landbau, 118 (2/2001), pp. 47-49.
- Brundtland, G. (1987). Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future. United Nations General Assembly document A/42/427.
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- https://www.regenerativehealthcoalition.com/post/health-promoting-phytonutrients-are-higher-in-grass-fed-meat-and-milk